Ein Juwel neben dem Gottesacker: die Friedhofskirche St. Paul in Erding

2022-12-21 17:06:11 By : Ms. Hanny Li

Sie wird meist nur bei Beerdigungen genutzt: die Kirche St. Paul in Erding. Kirchenführer Christian Numberger stellte sie nun einem interessierten Publikum vor.

Erding – Ein Schattendasein führt die kleine Kirche St. Paul neben dem gleichnamigen Friedhof, die meist nur bei Beerdigungen aufgesucht wird. Etwas Licht ins Dunkel bringen wollte das Katholische Bildungswerk (KBW) mit einer Führung im Rahmen des Erdinger Adventskalenders „Auf Weihnacht’n zua“. Heike Kronseder, Vorsitzende des Historischen Vereins, zeigte sich begeistert vom regen Besucherinteresse an dem Kirchlein, das sie als „wahres Juwel“ einschätzt.

Christian Numberger als frisch zertifizierter Kirchenführer räumte gleich mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: Kirche und Friedhof sind nicht gleichzeitig entstanden, vielmehr wurde der Kirchenstandort bereits 1231 in einem Wittelsbacher Urbar (Besitzrechtsverzeichnis) erwähnt, als noch lange kein Friedhof an der Stelle war. Mehrfach musste der Kirchenbau erneuert werden, der auch im 30-jährigen Krieg schweren Schaden nahm.

Zuletzt wurde Ende des 17. Jahrhunderts Baumeister Hans Kogler mit dem Neubau beauftragt – von der Pfarrei Altenerding mit ihrem Pfarrer Wolfgang Grimm, wie Numberger erläuterte. Damals seien sowohl die heutige Stadtpfarrkirche St. Johannes als auch die neue Kirche St. Paul Filialkirchen der Altenerdinger Pfarrkirche Mariä Verkündigung gewesen.

Hans Kogler stammte aus der berühmten Baumeisterfamilie, die im Landkreis rund 130 Barockkirchen geschaffen hat. Ihm ist in Erding ein Weg gewidmet, der vom Großparkplatz am Mühlgraben nach St. Paul führt.

Das 1707 geweihte Gotteshaus, das im Volksmund oft als Gottesacker- oder Friedhofskirche bezeichnet wird, stellt sich als barocker Saalbau mit eingezogenem halbrunden Chor vor. Stimmungsvoll beleuchtet, fallen sofort die drei spätbarocken Altäre ins Auge. Sie werden von vier beziehungsweise zwei Säulen eingerahmt und weisen die für die Zeit typischen Verzierungen wie Blumengirlanden auf.

Das große Bild am Hauptaltar zeigt die Bibelstelle, in der Saulus zum Paulus wird. „Ein Hinweis, dass die Begegnung mit Jesus einen Menschen verwandeln kann“, erklärte Numberger. Auf den etwas einfacher gestalteten Seitenaltären ist rechts der Jesuit Franz Xaver zu sehen, der als Missionar vor allem in Ostasien tätig war, „ein Modeheiliger zu der Zeit“, sagte Numberger dazu. Den linken Seitenaltar schmückt ein Bild der Maria Immaculata (Maria ohne Fehler), in der sie noch ohne Jesuskind dargestellt wird.

Die Altarbilder stammen von dem Südtiroler Maler Johann Egler, der auch in der Wallfahrtskirche Heilig Blut das Hochaltarbild und die Deckenfresken geschaffen hat.

In der kleinen Kirche St. Paul stammen die Malereien an der Decke allerdings von einem bekannten Erdinger, Martin Irl, der später als Mitbegründer der Volksbank und als Politiker Karriere machte.

Sehenswert ist in der kleinen Kirche auch die hölzerne Kanzel, geschaffen von Schreiner Christoph Eckhard, an der der Kanzelkorb mit gedrechselten Säulen umgeben ist. An den Seiten sind Abbildungen der vier Evangelisten zu sehen, auf dem Schalldeckel steht der Hl. Paulus mit wallendem Bart. Auf der gegenüberliegenden Seite ist unter dem großen Kreuz eine Darstellung der „Mater dolorosa“ angebracht. Die schmerzhafte Muttergottes hat ein Schwert in der Brust, das für ihre lebenslange Sorge um ihren Sohn Jesus stehen soll.

Numberger lenkte den Blick auch auf die rückwärtige Empore, wo die Darstellung eines Kreuzweges mit 14 Stationen zu bewundern ist. Aus der Barockzeit gibt es nur wenige Kreuzweg-Darstellungen, da diese damals ein Privileg der Franziskaner waren.

Interessant für eine nähere Betrachtung sind die historischen Gedenktafeln und Epitaphe, die an den Seitenwänden angebracht sind. Hier findet man auch Namen von Spendern, die zum Bau oder Erhalt beigetragen haben, wie zum Beispiel den ehemaligen Bürgermeister Franz Eisenreich, der bis heute mit seiner Schulfondsstiftung Gutes für seine Heimatstadt bewirkt.

Obwohl die Kirche St. Paul ursächlich nicht mit dem Friedhof erbaut wurde, bildet sie heute „ein wunderbares Ensemble“ zusammen mit dem Mesnerhaus und dem klassizistischen Leichenhaus, betonte Kronseder. Sie empfahl neben einem Kirchenbesuch einen Spaziergang über den Friedhof St. Paul mit vielen interessanten Inschriften auf den Grabsteinen. „Das ist Bürger- und Stadtgeschichte.“